Historisches Archiv Krupp gibt neue Publikationsreihe „Essay und Archiv“ heraus
Das Historische Archiv Krupp hat eine neue Publikationsreihe unter dem Titel „Essay und Archiv“ ins Leben gerufen: Mit drei Bänden von Ulrich Raulff über das „Sauerland als Lebensform“, Hasso Spode über eine Luxusreise der Krupps von 1926 und Wolfgang Ullrich über ein Gruppenportrait der Krupp-Führungsspitze von Hubert von Herkomer geht die Reihe an den Start. Der faszinierende Quellenfundus des Historischen Archivs Krupp ermöglicht es, in den Bänden der Reihe ein Panorama verschiedenster Themen zu entfalten: von der Kultur- bis zur Wirtschaftsgeschichte; Soziales, Politik- und Alltagsgeschichte kommen ebenso zur Sprache wie Internationales. Das Ziel ist sowohl einem Fachpublikum als auch historisch Interessierten eine mit den reichen Quellen des Historischen Archivs Krupp unterfütterte Lektüre zu bieten. Jeder Band soll nicht nur informieren, sondern auch reines Lesevergnügen bereiten. Entsprechend knapp und prägnant fallen die reich bebilderten Texte aus.
Jedes Jahr sind zwei weitere Bände geplant, die sich Persönlichkeiten wie Mies van der Rohe widmen, der Pläne für ein Krupp-Verwaltungsgebäude entworfen hat, aber auch Menükarten als Teil einer gehobenen Tischkultur behandeln. Bezugspunkt ist immer Krupp.
Die im Aschendorff-Verlag erscheinende Reihe reflektiert die in den zehn Archiv-Regalkilometern von Dokumenten, Fotografien und Objekten sedimentierte Geschichte und eröffnet den Reigen für die unterschiedlichsten Texte. Für die Essays wurden renommierte Autoren gewonnen, die über Expertenwissen für das jeweilige Sujet verfügen und die teils unerwartete und bisher unbekannte Bezüge zum Krupp‘schen Kosmos herstellen:
Mit dem Thema „Das Sauerland als Lebensform“ wählt Ulrich Raulff, Autor des Initialbandes, ein scheinbar überraschendes Sujet. Der gebürtige Sauerländer schafft eine umfassende Typologie des Sauerlandes, gespickt mit amüsanten Anekdoten, persönlichen Erinnerungen und poetischen Anklängen. Naturbeschreibungen über die Wälder, Flüsse, Seen und Berge, architektonische Besonderheiten wie das Fachwerkhaus und Erzählungen über das Leben der Dorfjugend wechseln sich mit den historischen Bezügen zu Krupp ab und verorten die Region auf vielfältigen Ebenen: Als Industrieregion, Skigebiet, „Land des Durchatmens“, Heimat von Carl Schmitt, „regenreiche Riviera des Reviers“, Freiluftsanatorium und Draht-Region hat das Sauerland viele Gesichter, die nicht nur Sauerländer faszinieren. Krupp nutzte die Region, die „Wald und Industrie in geschwisterliche Nähe“ vereint, für ökonomische Zwecke ebenso wie als Naherholungsgebiet für die Arbeiter im Sinne einer gut ausgebauten betrieblichen Sozialpolitik. Der Text ist mit zahlreichen unveröffentlichten Archivstücken bebildert.
Hasso Spode, einer der Begründer und führenden Vertreter der Historischen Tourismusforschung, beschreibt eine Ägyptenreise der Familie Krupp im Jahr 1926 und verknüpft diese kenntnisreich mit dem Orienttourismus jener Jahre: Details wie gecharterte Privatdampfer, Reiserouten von Alexandria über Kairo nach Luxor, Unternehmungen wie Nilüberfahrten oder die Besteigung der Cheopspyramide, Planungen und finanzielle Aspekte ebenso wie die Wettbewerbssituation der „Reisebureaus“ vermitteln lebendig den Luxus des Reisens der Upperclass. Bisher nicht veröffentlichte Fotografien aus den Alben der Krupps geben Einblicke in private Momente der Familie, während historische Werbemedien und Objekte wie Kofferanhänger den damaligen Reisealltag anschaulich machen.
Wolfgang Ullrich nimmt ein monumentales Gruppenportrait mit einer Größe von 3,5 x 5,6 Metern des deutsch-britischen Malerfürsten Hubert von Herkomer in Augenschein und ordnet es kunsthistorisch in die Gattung der Gruppenbildnisse ein. Das Gemälde von 1913 zeigt die 18-köpfige Führungsspitze der Firma Krupp, würdige, zumeist bärtige Männer, die sich ihrer sozialen Stellung bewusst sind.
Ullrich begibt sich auf Spurensuche eines herausfordernden künstlerischen Projekts und zeichnet mithilfe von Korrespondenzen, Skizzen und Fotografien aus dem Archivfundus die diplomatische Meisterleistung des Künstlers nach, 18 Individuen als homogene Gruppe zu inszenieren. Anschaulich schlägt Ullrich den Bogen zur heutigen Praxis von Gruppenfotografien von Vorständen oder Aufsichtsräten mit ihren Besonderheiten und lässt vor dem Hintergrund heutiger Sehgewohnheiten Fragen nach Gleichstellung und Privilegien aufkommen.
Die Autoren
Der Historiker Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Raulff wurde 1950 im Märkischen Sauerland geboren, studierte in Marburg und Paris und war Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung, bevor er langjähriger Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach wurde. Aktuell ist er Präsident des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart und Berlin. Er schrieb, übersetzte und edierte eine Reihe von Büchern und Zeitschriften.
Prof. Dr. Hasso Spode (*1951) ist Historiker, Soziologe und Archivar. Er zählt zu den Begründern der Historischen Tourismusforschung und leitet das „Historische Archiv zum Tourismus“ an der Technischen Universität Berlin. Seine Medienbeiträge und die in elf Sprachen übersetzten wissenschaftlichen Arbeiten umfassen ein breites Spektrum vom Reisen über das Trinken und die Medizingeschichte bis zu erkenntnis- und gesellschaftstheoretischen Fragen.
Prof. Dr. Wolfgang Ullrich (*1967) lebt als Kulturwissenschaftler und freier Autor in Leipzig. Er forscht und publiziert zur Geschichte und Kritik des Kunstbegriffs, zu bildsoziologischen Themen sowie zur Konsumtheorie. 2006 bis 2015 war er Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe.
Publikation
Verlag: Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster
Herausgeber: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
Umfang pro Band: ca. 32 bis 48 Seiten inkl. reicher Bebilderung
Preis: 9,95 Euro
Bezugsmöglichkeiten: Buchhandel, online und in der Villa Hügel