Das Runde muss ins Eckige – Polizei Essen übergibt WM-Fußball 1974 mit Unterschriften der brasilianischen Nationalmannschaft an Historisches Archiv Krupp
Es gibt Schätze, die schlummern sehr lange unbemerkt vor sich hin, bis Kommissar Zufall sie ans Tageslicht holt. In diesem Fall schlummerte ein echter Schatz der Essener Sportgeschichte im Keller der Polizeiwache Rellinghausen. Hinter einer fest verschlossenen Stahltür setzte dieser Schatz über viele Jahre hinweg eine dicke Staubschicht an, bis ein Polizeihauptkommissar ihn entdeckte.
Was zunächst nach einem gewöhnlichen Lederball aussah, der verschmutzt in einer Kellerecke in Vergessenheit geraten war, weckte die Neugierde des Polizeihauptkommissars. Vorsichtig reinigte er den Ball mit warmem Wasser und milder Seifenlauge. Zum Vorschein kam ein schwarz-weiß-roter Lederfußball, auf dem zahlreiche Unterschriften prangten. Obwohl der Hauptkommissar kein großer Fußballfan ist, stachen ihm weltbekannte Namen wie Zagallo und Pelé ins Auge und er ahnte, dass er einen wertvollen Fußballschatz in Händen hielt. Dieser wurde kurze Zeit später dem Essener Polizeipräsidenten Frank Richter übergeben.
Um der Herkunft des Balles auf die Spur zu kommen, wurde das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund um eine Expertise gebeten. Dort konnten die Fachleute rekonstruieren, dass es sich um einen Fußball handelt, auf dem sich anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland die Spieler der brasilianischen Nationalmannschaft verewigt hatten.
Während der Weltmeisterschaft spielten die Brasilianer zwei Spiele im Ruhrgebiet. Am 22. Juni 1974 traf die brasilianische Nationalelf in Gelsenkirchen auf Zaire (3:0) und kurze Zeit später, am 3. Juli in Dortmund auf die Niederlande (0:2). Quartier bezog die „Seleção“ in dieser Zeit im Touring-Hotel in Essen-Bredeney. Bei dieser Gelegenheit hat vermutlich ein Polizist, der zum Schutz der brasilianischen Mannschaft eingeteilt war, den Ball von den Spielern signieren lassen. Erkennbar ist unter anderem die Unterschrift von Pelé, der die WM gemeinsam mit Uwe Seeler eröffnete, aber auch die von Brasiliens Trainer Zagallo. Zudem gibt es 19 weitere Unterschriften von Spielern, unter ihnen Torwart Renato, Mittelfeldspieler Jairzinho und Verteidiger Zé Maria.
Polizeipräsident Frank Richter, selbst von Kindesbeinen an ein Fußball-Fan, hat noch viele schöne Erinnerungen an die WM 74 und die damit verbundenen Fernsehabende mit der ganzen Familie: „Die Straßen waren leergefegt – wenn Deutschland spielte, saßen alle vor dem Fernseher und fieberten mit. Legendär ist natürlich das Finale, in dem Gerd Müller mit seinem Drehschuss den Sieg perfekt machte. Da war der Jubel vor dem Fernseher groß, als Deutschland Weltmeister wurde. Der alte Lederball mit den Unterschriften der brasilianischen Mannschaft lässt Erinnerungen an diese tolle Zeit mit Sicherheit auch bei vielen anderen Menschen wieder lebendig werden. Deshalb freue ich mich, dass wir diesen lange verschütteten Schatz der Essener Sport- und Stadtgeschichte ab sofort den Bürgern zugänglich machen können.“
Ein würdiges Zuhause für den WM-Ball war schnell gefunden. „Das Runde gehört ins Eckige!“ – so hat es schon die Fußball-Legende Sepp Herberger formuliert. In diesem Fall wird das Runde künftig in einer Glasvitrine in der Schatzkammer des Historischen Archivs Krupp residieren.
Was hat der Fußball mit Krupp zu tun? Sehr viel, denn das besagte Touring-Hotel, in dem die brasilianische Mannschaft während ihrer Spiele im Ruhrgebiet untergebracht war, gehörte der Firma Fried. Krupp. 1971 wurde das Hotel an die Hubert Imhoff KG verpachtet, die es 14 Jahre lang betrieb. Ein neuer Pächter konnte nicht gefunden werden, so dass 1986 schließlich der Abbruch erfolgte.
Vor zwei Jahren wandte sich die ehemalige Hotelmanagerin an das Historische Archiv Krupp und überließ ihm ein Fotoalbum, in dem sie ihre persönlichen Erinnerungen an „die Fußballweltmeisterschaft mit den Brasilianern im Touring-Hotel“ festgehalten hat. Dieses zeitgeschichtlich besondere Dokument wird nun durch den wieder aufgefundenen Fußball perfekt ergänzt – zwei einmalige Zufälle.
Prof. Dr. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp, freut sich über die „Neuzugänge“: „Das Fotoalbum und der Fußball sind zwei spannende Zeitzeugen, und sie zeigen, dass vieles mit Krupp verbunden ist, auch Unerwartetes. Themen wie Fußball und Brasilien waren im Historischen Archiv Krupp ohnehin schon präsent. Beide Objekte werden hier nun fachgerecht und dauerhaft bewahrt und stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung.“
Ab dem 5. April kann der Fußball von Besucherinnen und Besuchern im ersten Obergeschoss der Historischen Ausstellung Krupp in der Villa Hügel in Essen bewundert werden, aber auch zeit- und ortsunabhängig im Rahmen einer digitalen Ausstellung gemeinsam mit dem Fotoalbum entdeckt werden.
Historische Ausstellung Krupp: Di-So 10-18 Uhr, Mo geschlossen