Performance „Für Morgen“ von Finja Sander in der Villa Hügel
Gestern fand die Performance „Für Morgen“ von Finja Sander in der Oberen Halle der Villa Hügel statt. Der Performance folgte der von Vorstandssprecher Volker Troche moderierte Artist Talk.
Vergleichbar eines Reenactments übersetzte Finja Sander in ihrer Performance Ernst Barlachs Mahnmal »Der Schwebende« in ihre eigene Körperlichkeit und befragte dabei sowohl Erinnerungskultur als auch Denkmalgeschichte. Für die Dauer von einer Stunde hang die Künstlerin Hügel horizontal in einem raumgreifenden Metallgestell über dem Boden – reglos und mit geschlossenen Augen. Gehalten wurde sie durch drei Gurte, die auf die originale Konstruktion des »Schwebenden« verweisen.
So inszenierte Finja Sander sich selbst als Skulptur und eindrückliche Erweiterung des Ehrenmals von Barlach, das an die Toten des Ersten und Zweiten Weltkriegs erinnert. Anders als traditionelle Denkmäler, die oft Heldentaten glorifizieren, schuf Barlach ein Symbol der Trauer und Schuld. Diese pazifistische Botschaft führte dazu, dass die Nationalsozialisten das Werk 1937 als entartet brandmarkten und einschmolzen. Mit ihrer Performance aktualisierte Finja Sander Barlachs Botschaft in kontemplativer Stille und Unbewegtheit als atmender, lebender Körper. In der Bestrebung, selbst zu einem Objekt zu werden, die eigene Körperlichkeit ein Stück weit aufzugeben und sich dem entstehenden Bild unterzuordnen, wurde sie zur Projektionsfläche für die Betrachtenden und schuf eine neue Form kollektiven Erinnerns. Finja Sander schaffte es, durch ihre Performance das Publikum tief zu berühren und zum Nachdenken anzuregen.
Mit der Villa Hügel als ehemaliges Wohnhaus der Industriellenfamilie Krupp wählte Finja Sander einen besonderen Erinnerungsort: Krupp spielte eine erhebliche Rolle im Zweiten Weltkrieg als Rüstungsproduzent und beschäftigte Zwangsarbeiter. Die Krupp-Stiftung lässt aktuell das Verhältnis von Alfried Krupp zum Nationalsozialismus erforschen. Eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Geschichte Krupps ist fester Bestandteil des Stiftungswirkens.
Über Finja Sander
Finja Sander (*1996 in Hildesheim) schloss 2022 ihr Studium der Bildenden Kunst an der Universität der Künste Berlin mit dem Meisterschülertitel ab. In ihren meist performativen Arbeiten sucht Sander nach Brüchen und Ambivalenzen im Alltäglichen, nach unbewussten Automatismen, sich wiederholenden, gesellschaftlichen Mustern, die sie isoliert und innerhalb mehrteiliger, multimedialer Prozesse in neue Zusammenhänge bringt. Ihre Performances wurden unter anderem im Wallraf-Richartz-Museum, Köln,), im Museum für Fotografie, Berlin (2021), sowie im Hamburger Bahnhof, Berlin (2021) gezeigt. Sie ist die Preisträgerin des UdK Berlin Art Award 2023. Für 2024 plant Sander weitere Performances, darunter eine Ausstellung im Kunstverein Augsburg und eine Performance in Madrid.