Vortrag von Berthold-Beitz-Fellow Prof. Dr. Zachary Shore: Aus der Geschichte lernen
Am 11. November fand in der Villa Hügel der englischsprachige Vortrag von Prof. Dr. Zachary Shore statt, dem ersten Berthold-Beitz-Fellow. Unter dem Titel „Learning from Folly: Can History Help?“ zeigte Prof. Shore auf, wie historische Erfahrungen dabei helfen können, weise Entscheidungen in unsicheren Zeiten zu treffen.
Im Rahmen des Vortrags hat Prof. Shore Einblicke in seine aktuelle Forschung zum Thema „A Wiser World: The Global Quest for Good Judgement“ gegeben. Er untersucht in dem Zusammenhang, welche Faktoren – von persönlichen Eigenschaften über Gruppendynamiken bis hin zu historischen Bedingungen – weise Entscheidungen begünstigen. Besonders in Anbetracht der heutigen globalen Herausforderungen, wie Klimawandel und autoritärer Tendenzen, ist Shores Argumentation, dass ein tieferes Verständnis von Weisheit und ihrer Anwendung entscheidend für die Bewältigung aktueller Probleme sein könnte.
In seinem Vortrag hob Shore drei entscheidende Bedingungen hervor, die weise Entscheidungen begünstigen: Erstens entstehen kluge Entscheidungen oft aus dem „ashes of failure“ – sie bauen auf früheren Fehlern auf. Zweitens sind Meinungsverschiedenheiten und Konflikte („friction“) notwendig, um nachhaltige Weisheit hervorzubringen. Drittens spielt Schmerz („pain“) eine große Rolle: Intensive emotionale Erfahrungen und Leiden können eine Basis für Weisheit schaffen. Fehlt es an Weisheit, können Regierungen Entscheidungen treffen, die schwere Folgen nach sich ziehen und Menschenleben kosten.
Shore führte den Marshall-Plan als ein Beispiel für eine weise Entscheidung an: Die USA wandelten ihren ursprünglichen Plan zur harten Bestrafung Deutschlands in eine auf Stabilität und Aufbau gerichtete Strategie um. Diese Entscheidung entstand nicht nur durch rationale Überlegungen, sondern auch durch das Mitgefühl einiger US-Entscheidungsträger für das Leiden der Bevölkerung.
Über das Berthold-Beitz-Stipendium
Das von der Krupp-Stiftung und der American Academy in Berlin ins Leben gerufene Berthold-Beitz-Stipendium wurde in Erinnerung an den ehemaligen Vorsitzenden der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz, geschaffen. Das Stipendium konzentriert sich auf Wirtschafts- und Politikgeschichte und ermöglicht es jährlich einer Stipendiatin oder einem Stipendiaten, einen Forschungsaufenthalt im Hans-Arnhold-Zentrum der American Academy in Berlin zu absolvieren. Prof. Zachary Shore ist der erste Stipendiat dieses Programms und wird das Stipendium im Herbst 2024 antreten.
Über Prof. Zachary Shore
Zachary Shore (*1971) ist Professor für Geschichte an der Naval Postgraduate School, Senior Fellow am Institute of European Studies der University of California, Berkeley, und National Security Visiting Fellow an der Hoover Institution der Stanford University. Er promovierte in Geschichte an der University of Oxford und absolvierte seine Postdoktorandenzeit an der Harvard University. Shore hat sechs Bücher veröffentlicht, darunter sein jüngstes Werk „This Is Not Who We Are: America’s Struggle Between Vengeance and Virtue“ (2023). Seine Artikel sind unter anderem in Time, Politico, Foreign Policy, Los Angeles Times und The National Interest erschienen. Seit seiner Jugend blind, setzt sich Shore zudem aktiv für die Verbesserung der Chancen blinder Menschen ein.