Über die Forschung von Kerstin Göpfrich
Physikalische Modelle ermöglichen es, Naturgesetze zu verstehen, doch für lebendige Systeme fehlen solche Modelle bislang. Göpfrich setzt genau hier an: Sie möchte mit ihrer Forschung eine künstliche Modellzelle erschaffen, die neue Wege zur Beschreibung und Nutzbarmachung von Lebensprozessen eröffnet. Konkret arbeitet Göpfrich im Forschungsfeld der sogenannten „Bottom-up“ synthetischen Biologie, die sich damit befasst, lebende Zellen unter Laborbedingungen künstlich herzustellen. Hier wird versucht, in vitro funktionsfähige Bauteile zu generieren, die Lebensprozesse ermöglichen. Für diesen Vorgang müssen andernorts produzierte Proteine in künstliche Zellhüllen eingeschleust werden. Göpfrich hat dabei einen neuen Weg eingeschlagen: Anstatt fertige Proteine einzusetzen, entwirft sie ihren eigenen Bausatz ganz neu aus molekularer Hardware. Dabei wählt sie DNA und RNA zur Konstruktion. Durch einen Kunstgriff wird die kettenförmige DNA nach einem Designprozess am Computer zu zwei und dreidimensionalen Strukturen umgeformt, die dann auch funktionale Eigenschaften ausüben können. DNA-Origami nennt sich diese Faltkunst im Nanometer-Maßstab. Auf diese Art gelang Göpfrich der Nachbau funktionsfähiger DNA-basierter Zellskelette, die Stoffe innerhalb der künstlichen Zellen transportieren können. Auch die Bildung von Tochterzellen gelingt bereits. Im nächsten Schritt sollen nun die künstlichen Zellen ihre molekulare Hardware selbst produzieren, was bislang nicht möglich war. Diese Weiterentwicklung könnte nicht nur helfen, die Entstehung früher Lebensformen besser zu verstehen, sondern auch in der Medizin Anwendung finden. So könnten zukünftig Materialien entstehen, die sich selbst regenerieren, an veränderte Bedingungen anpassen und eigenständig weiterentwickeln können.
Göpfrichs innovative Herangehensweise hat bereits mehrfach zu patentierten Anwendungen geführt, darunter eine bildbasierte Methode zur Zellsortierung. Mit ihrer Vision, eine künstliche Modellzelle zu erschaffen, vereint sie Neugier getriebene, bahnbrechende Wissenschaft mit der Entwicklung anwendbarer Innovationen.
„Der diesjährige Alfried Krupp-Förderpreis zeichnet Kerstin Göpfrich und ihre bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der synthetischen Biologie aus. Nicht nur eröffnet ihre Forschung neue Perspektiven für Wissenschaft und Industrie, sie kann auch unser Verständnis von Leben revolutionieren. Die Krupp-Stiftung freut sich sehr, Kerstin Göpfrich auf ihrem Weg zu begleiten und sie bei der Entwicklung dieser revolutionären Ansätze zu unterstützen.“
Prof. Dr. Dr. h. c. Ursula Gather, Vorsitzende des Kuratoriums der Krupp-Stiftung